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Kunst-Carepakete, Wundertüten und Austausch mit Abstand

Nicht alle Projekte lassen sich komplett in digitale Welten verlagern. Drei Beispiele aus Bayern, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern zeigen, wie Angebote trotz Kontakteinschränkungen teilweise oder auch ganz analog stattfinden können.

In Corona-Zeiten hat sich das Leben vieler Menschen zu großen Teilen in virtuelle Welten verlagert. Smartphone und Computer werden zum zentralen Medium für Arbeit, Schule, private Kontakte und die Freizeitgestaltung. Doch nicht alle Familien verfügen über genügend digitale Endgeräte und eine zuverlässige Internetverbindung. Gerade sie dürfen in diesen Zeiten nicht ins Abseits geraten. Auch braucht es für viele künstlerisch-kreative Tätigkeiten eine Grundausstattung mit analogen Materialien. Engagierte „Kultur macht stark“-Akteurinnen und -Akteure haben daher kurzfristig bestehende oder geplante Angebote so angepasst, dass sie – mit aller nötigen Vorsicht – zum Teil oder sogar vollständig ohne Smartphone und Co wahrgenommen werden können. Drei Projekte stellen wir in diesem Beitrag vor.

Filmstudio im Wohnzimmer

In Kaufbeuren im Allgäu war das Filmprojekt „kukuk tv“ gerade gestartet, als das Corona-Virus Deutschland erreichte. Schnell stand für die Kunstschule querKUNST Kaufbeuren e. V. und ihre Bündnispartner fest: Wir machen weiter. Die Teilnehmenden hatten sich schon kennengelernt und erste Ideen für Filme gesammelt. Als nächstes sollten nun Figuren und Kulissen gebaut und ein eigener Trickfilm gedreht werden.

Auf einem Tisch liegen in Kartons verschiedene Materialien für die Füllung der Kunst-Carepakete, wie Federn, Perlen, Stoffe und Fäden.
Bunte Füllung für die Carepakete © „kukuk tv“ querKUNST Kaufbeuren e. V.

„Damit die Kinder und Jugendlichen zuhause aktiv werden konnten, haben wir Kunst-Carepakete für sie gepackt: Papiertüten mit allerhand Materialien wie bunten Stoffen und Papieren, Federn und Perlen“, erzählt Tatjana Nocker von querKUNST. „Das war uns wichtig, gerade für die Familien, die nicht so gut mit Bastelmaterial ausgestattet sind.“ Die mit Namen versehenen Tüten wurden vor die Tür der Kunstschule gestellt und nacheinander abgeholt. Die Ergebnisse ihrer Arbeiten können die Teilnehmenden per Mail oder Messenger-Dienst an die Kursleitung schicken, sie werden auf Wunsch auf dem Facebook-Kanal der Kunstschule veröffentlicht. Einmal pro Woche tauschen sich alle in einer Videokonferenz aus, besprechen nächste Schritte und können Materialnachschub ordern.

„Von den Eltern haben wir ein positives Echo erhalten: Es tut ihren Kindern gut, jeden Tag ein bisschen an dem Projekt zu arbeiten. Jetzt, wo der normale Alltag aus dem Takt geraten ist, hilft das, einen Rhythmus zu finden“, berichtet die Museums- und Kunstpädagogin Tatjana Nocker. Nach den Trickfilmexperimenten arbeiten die Teilnehmenden nun an Realfilmen, vor und hinter der Kamera. Mit der Greenscreen-Technik können sie sich dabei in andere Welten jenseits der eigenen vier Wände zaubern. Zum Abschluss des Projekts sollen die fertigen Filme veröffentlicht werden, unter anderem auf den Kanälen der Bündnispartner Adalbert-Stifter-Grundschule, Jörg-Lederer-Mittelschule und Allgäu TV.

Tütenweise Überraschungen

Das Projektteam steht vor einem roten Bus, macht akrobatische Übungen und zeigt dabei die Wundertüten in die Kamera.
Wundertüten-Lieferservice  © vhs Weimar/Michael Paech

Über prall gefüllte Briefumschläge freuten sich auch Kinder und Jugendliche aus Weimar, die in den Osterferien am „talentCAMPus“-Projekt der Volkshochschule Weimar, dem Kinder- und Jugendzirkus Tasifan und dem Amt für Familie und Soziales Weimar teilnahmen. Ganze 140 Zirkuswundertüten lieferte das Projektteam den Kindern und Jugendlichen nach Hause zu ihren Familien sowie in Wohngruppen. Darin befand sich ein sechstägiges Programm mit persönlichen Briefen, Kreativ- und Schreibaufgaben, Bastelideen sowie Anleitungen für Zaubertricks, Spiele und Experimente. „Gerade in diesen Zeiten ist kulturelle Bildung wichtig für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Man muss dafür nicht unbedingt physisch zusammenkommen“, betont Ulrich Dillmann, Leiter der Volkshochschule Weimar. „In unserem Angebot ging es auch um aktuelle Themen wie Rücksichtnahme und einen achtsamen Umgang in Zeiten der Krise. Wir haben zum Beispiel Ideen für ein kreatives Miteinander mit Geschwistern und Eltern gegeben.“

Um sich in Wohnung oder Garten in Zirkusfertigkeiten zu üben, konnten sich die Teilnehmenden zudem Zirkusgeräte ausleihen, etwa Einräder, Balancierkugeln und Jonglierbälle. Auf einem YouTube-Kanal bot der Zirkus begleitend Trainingsanleitungen an – zum Beispiel für einen Sofa-Parcours oder einen Besen-Balanceakt. „Viele der Kinder haben allerdings nur unzureichenden Zugang zu digitalen Angeboten. Wir waren daher nicht nur über Chat und Videokonferenzen, sondern auch per Telefon erreichbar“, sagt Dirk Wendelmuth vom Zirkus Tasifan. „Außerdem haben wir zum Schreiben von Briefen animiert.“ Die Wundertüte enthielt frankierte Umschläge – für einen Brief an die Kursleitung und einen weiteren. „Denn“, so erklärt Dirk Wendelmuth, „die Collagen, Bilder und Geschichten, die in der Ferienwoche entstanden sind, möchten wir an ältere Menschen in Pflegeeinrichtungen weitergeben, um auch an die zu denken, die in besonderem Maße von den Auswirkungen der Pandemie betroffen sind.“   

Ein reich gedeckter (Auf-)Gabentisch

Kursleiterin Annett Oberländer händigt an einem Tisch im Freien einem Mädchen Aufgaben aus. Ein weiteres wartet mit Abstand.
Aufgabenübergabe mit Sicherheitsabstand © Juliane Umbreit

Ein inklusives Buchkunstprojekt in Neukloster, Mecklenburg-Vorpommern, setzt auf eine rein analoge Betreuung. Das Bündnis hinter dem Projekt, das seit dem vergangenen Jahr läuft, hat sich bewusst gegen eine Verlagerung ins Digitale entschieden. „Wir haben uns mit den 18 Teilnehmenden und deren Eltern telefonisch besprochen. Dabei wurde klar, dass wir dann einen großen Teil der Kinder ausgrenzen würden, da ihnen schlicht die technische Ausstattung fehlt“, erklärt Kursleiterin Juliane Umbreit. Die freie Illustratorin arbeitet für die Schweriner Musik- und Kunstschule ATARAXIA e. V., die das Projekt mit der Grundschule und der Förderschule in Neukloster sowie der Jugendscheune Neukloster umsetzt. „Da wir mit der Gruppe schon eine Weile arbeiten, kennen die Jungen und Mädchen viele gestalterische Techniken, die sie nun zu Hause anwenden können. Auch ist es für uns ein Glücksfall, dass wir die Räumlichkeiten der Jugendscheune weiter nutzen dürfen“, freut sich die Kursleiterin.

In dem geräumigen Bauernhaus stellt sie gemeinsam mit einer Kollegin nun wöchentlich individuelle Aufgabenpakete zusammen. Je nach Bedarf gibt es auch Stifte und Materialien dazu. Die Umschläge werden dann auf einem Tisch bereitgelegt und von den Familien aus den umliegenden Dörfern abgeholt. Die Projektteilnehmenden geben dabei auch die neusten Ergebnisse ab – wie zuletzt ein Comic zum eigenen Lieblingsmärchen. Mit ausreichend Abstand wird der neuste Stand besprochen, ebenso kann telefonisch Rat eingeholt werden. In einem nächsten Schritt sollen auch die Kinder und Jugendlichen selbst erfahren, was die anderen daheim an kreativen Werken erstellen, verrät Juliane Umbreit: „Wir werden die bisherigen Bilder und Geschichten in der Scheune ausstellen. Alle, die möchten, können sich diese dann einzeln und nacheinander anschauen und sich inspirieren lassen.“

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Das Filmprojekt „kukuk tv“ in Kaufbeuren wird vom Bundesverband Jugend und Film e. V., Programmpartner bei „Kultur macht stark“, gefördert. Die Angebote unter dem Titel „Movies in Motion – mit Film bewegen“ vermitteln jungen Menschen Zugänge zur Filmarbeit. Die Projekte richten sich an Kinder und Jugendliche, die in schwierigen sozialen oder finanziellen Situationen aufwachsen. Nähere Informationen gibt es auf der Website von „Movies in Motion“.

Die Zirkus-Ferienwoche in Weimar fand im Rahmen des „talentCAMPus“ des Deutschen Volkshochschul-Verbandes e. V. statt. In den bundesweiten Ferienangeboten ermöglicht der Verband als Partner von „Kultur macht stark“ Kindern und Jugendlichen, ihre kulturellen, sprachlichen und sozialen Fähigkeiten zu stärken. Mehr dazu erfahren Sie auf der Website des Deutschen Volkshochschul-Verbandes.

Das inklusive Buchkunstprojekt in Neukloster ist ein Angebot der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. Mit „Künste öffnen Welten“ fördert der Verband als Programmpartner von „Kultur macht stark“ vielfältige kulturpädagogische Projekte in ganz Deutschland. Sie richten sich an Kinder und Jugendliche, die bisher keine oder nur wenige Zugänge zu Kunst und Kultur hatten. Über das Angebot können Sie sich auf der Website „Künste öffnen Welten“ näher informieren.