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„Digitale Medien als Werkzeug begreifen“

Horst Pohlmann leitet den Fachbereich „Medien“ an der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW. Im Interview erklärt er, wie Kinder und Jugendliche spielerisch lernen können, digitale Medien kreativ und kritisch zu nutzen.

Computerspiele, Apps, soziale Netzwerke: Kinder und Jugendliche wachsen heute mit digitalen Medien auf. Sind sie deshalb kompetente Mediennutzerinnen und -nutzer?

Pohlmann: Repräsentative Studien ergeben, dass nahezu alle Jugendlichen in Deutschland ein Smartphone besitzen. Der Zugang zur Technik ist also unabhängig vom familiären Hintergrund gegeben. Schaut man aber, wie die Medien von verschiedenen Zielgruppen genutzt werden, ergeben sich je nach Wohnumfeld und sozialer Zugehörigkeit deutliche Unterschiede. Man spricht hier auch vom „digital gap“, also einer Kluft in der Art und Weise, wie Kinder und Jugendliche mit neuen Medien umgehen. Während die einen nächtelang am Handy zocken, programmieren andere selbst Spiele – oder schalten den Rechner bewusst aus.

Wie können kulturelle Bildungsangebote den Erwerb von digitaler Medienkompetenz unterstützen – und damit zu mehr Chancen- und Bildungsgerechtigkeit beitragen?

Der erhobene Zeigefinger bringt in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen erfahrungsgemäß wenig. Sie müssen sich selbst intensiv mit den Möglichkeiten, aber auch den Risiken der Nutzung digitaler Medien auseinandersetzen. Erst dann können sie entscheiden, was sie wollen und was nicht. Kulturelle Bildungsangebote bieten hierfür einen guten Rahmen. Der große Vorteil moderner Medien ist: Dürfen Kinder und Jugendliche ihr Smartphone in einem Projekt benutzen, ist das ein wirksamer Motivator. Das kann auch als Anreiz dienen, sich mit anderen Themen und Kulturbereichen – wie Musik, Fotografie oder Film – zu beschäftigen. Im Grunde geht es in medienpädagogischen Projekten darum, die Medien ein Stück weit zu „entzaubern“, also ihnen den hohen Stellenwert zu nehmen und sie vielmehr als Werkzeug begreifbar zu machen. Wenn das gelingt, lernen Kinder und Jugendliche digitale Medien kreativ zu nutzen statt passiv zu konsumieren.

Welchen Mehrwert können dabei spielpädagogische Ansätze bieten?  

Spielerische Zugänge motivieren und eignen sich auch für Gruppenarbeit. Gerade Computerspiele bieten hier großes Potenzial: Games sind Spielform und Medien zugleich – und sehr attraktiv für Kinder und Jugendliche. Eine mögliche Projektidee ist, digitale Spiele analog umzusetzen, zum Beispiel die umstrittenen Egoshooter-Spiele: Die Mitspieler navigieren sich gegenseitig im Raum und versuchen, sich mit Softbällen zu treffen. Daran lässt sich eine Diskussion über die Frage von Gewalt in Computerspielen anschließen. Gleichzeitig gibt man den Kindern und Jugendlichen eine wunderbare Alternative zur Bildschirmnutzung an die Hand. Daneben gibt es viele weitere Möglichkeiten, die kritische Mediennutzung zu fördern. Zum Beispiel kann man in einer klassischen Rallye die Aufgabe stellen, auf einer Website Infos zu beschaffen und deren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Da sind wir mitten im Thema Fake News. Natürlich kann man diese Spiele nicht einfach laufen lassen, sondern muss sie als Pädagogin oder Pädagoge begleiten und auswerten.

Welche Kompetenzen erwerben Kinder und Jugendliche noch in Projekten dieser Art?

Dazu gehört definitiv der erwähnte kreative Umgang mit digitalen Medien. Es gibt beispielsweise ein Tool, mit dem eine Spielerin oder ein Spieler mittels Virtual-Reality-Brille dreidimensional zeichnen kann. Die Mitspielenden verfolgen das auf dem Bildschirm und erraten, was gezeichnet wird. In diesem Fall wird also ein klassisches Spiel – das Fernsehformat „Montagsmaler“ – digital umgesetzt. Technikverständnis und Kreativität werden gefördert. Ein anderes Beispiel sind Rallyes, wie sie auch im Rahmen von „Kultur macht stark“ in den Projekten des Programmpartners Spielmobile e. V. realisiert werden. Die Teilnehmenden lernen ihren Stadtteil spielerisch kennen, sie entwickeln einen Blick für Details und gestalten gemeinsam einen digitalen Stadtplan. Nicht zuletzt stärken Planspiele, in die sich die Kinder und Jugendlichen mit ihren jeweiligen Stärken einbringen, die soziale Kompetenz. Das ist generell bei guten Gruppenprojekten so und auch dann, wenn Medien im Spiel sind.

Wie kann es gelingen, die Erfahrung aus den Projekten in den Alltag zu übertragen?

Das in den Projekten Erlebte ist bereits sehr nah an der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen dran: Mediennutzung ist fester Bestandteil ihres Alltags. Der Anspruch ist, in den Projekten Anstöße zu geben, ein Bewusstsein zu schaffen für die eigene Mediennutzung. Entscheidend ist aber auch, dass Pädagoginnen und Pädagogen die Eltern einbinden und sich mit ihnen austauschen. Vor allem bei jüngeren Kindern ist die Familie das größte Lernumfeld. Ist dort ein offener Dialog zum Umgang mit Smartphone und Co. möglich, stärkt das die Medienkompetenz der Kinder nachhaltig.

Info & Kontakt

Horst Pohlmann ist Dozent für Medienpädagogik und Fachbereichsleiter an der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW. Der Diplom-Sozialpädagoge und MedienSpielPädagoge (M. A.) ist außerdem im Rahmen von „Kultur macht stark“ als Jury-Mitglied für den Programmpartner Spielmobile e. V. aktiv.

Tel.: 02191 794 260
E-Mail: pohlmann@kulturellebildung.de
Website: kulturellebildung.de