Mit Theater, Tanz und Kunst Demokratie lernen
Für eine starke Demokratie brauchen alle eine Stimme – auch diejenigen, die noch nicht wählen dürfen. Ein Konstanzer „Kultur macht stark“-Projekt regt junge Menschen daher mit Theater, Tanz und Kunst zu Dialogen und Perspektivwechseln an.

„Wir Jugendlichen werden im Alltag zu wenig nach unserer Meinung gefragt, und wenn, wird sie oft nicht ernst genommen”, damit spricht eine 15-jährige Teilnehmerin des Projekts „Under the same Sky” vielen Gleichaltrigen aus der Seele. Jugendliche dazu ermutigen, sich Gehör zu verschaffen und ihnen Raum für ihre Anliegen und Ideen geben – darum geht es den Bündnispartnern Hope Human Rights e. V., dem Kulturamt Konstanz und der Gemeinschaftsschule Gebhard. Seit Dezember 2024 arbeiten sie in dem „Kultur macht stark“-Projekt zusammen, das Demokratie mittels Theater, Kunst und Tanz für junge Menschen zwischen 12 und 18 Jahren erlebbar macht und ihre Teilhabe fördert.
Jeder Stimme Raum geben
„Demokratie lebt von der Hoffnung, von dem Gefühl, dass wir Dinge gestalten und sie idealerweise verbessern können“, sagt Tanja Jäckel, Theaterpädagogin und eine der Projektleitenden von „Under the same Sky”. Weil sich dafür alle ausreichend gehört fühlen müssen, baut das Projekt auf einem offenen und wertfreien Austausch zwischen den Beteiligten auf. Wer bin ich in dieser Welt, was bedeuten Freiheit und Demokratie für mich? Bei der Diskussion dieser und weiterer Fragen erhält jede Stimme gleichermaßen Raum, auch wenn es einmal zu Uneinigkeiten kommt. Unterschiedliche Meinungen können die Jugendlichen ohne Sorge vor Verurteilung äußern. Fernab von schulischer Bewertung diskutieren zu können, trägt zur Offenheit und Lust am gemeinsamen Aushandeln bei. Über drei bis vier Wochen hinweg trifft sich jede Gruppe einmal wöchentlich für die Workshops in der Gemeinschaftsschule.
Einmal in andere Schuhe schlüpfen
Die Projektleitenden achten darauf, dass sich in jeder der insgesamt sechs Gruppen möglichst vielfältige Perspektiven wiederfinden. Die insgesamt rund 130 Teilnehmenden kommen aus der Gemeinschaftsschule, vom Hope Human Rights e. V., einer Willkommensklasse der Geschwister-Scholl-Schule sowie einer freien Gruppe von Schülerinnen und Schülern aus dem Konstanzer Stadtgebiet und bringen dadurch sehr unterschiedliche Lebenserfahrungen mit. Nach einem kurzen Austausch darüber, was die Jugendlichen zuletzt beschäftigt hat, geht es in die Bewegung: Angeleitet durch tanz- und theaterpädagogische Fachkräfte nehmen die Teilnehmenden sich und das Zusammenspiel mit anderen ganz neu wahr. So begegnen sie sich einmal etwa tanzend als „Moleküle im Raum“, bewegen sich ein Stück gemeinsam, dann wieder alleine und treffen als neue „Molekülgruppe“ zusammen. Dabei erfahren sie sehr körperlich, was Gemeinschaft und Individualität bedeuten und reflektieren das anschließend gemeinsam. Dass Gemeinschaften auch ausgrenzend sein können und was das für den Einzelnen oder die Einzelne bedeutet, ist Inhalt einer theaterpädagogischen Übung, bei der die Jugendlichen in unterschiedliche Rollen schlüpfen und viel über fremde Erfahrungswelten lernen. „Nach solchen Übungen konnten wir bei den Jugendlichen mehr Empathie mit ihrem Gegenüber beobachten und auch eine größere Bereitschaft, andere Meinungen zu verstehen”, berichtet Jäckel. Die Erkenntnisse ihres Austauschs verarbeiten die Workshop-Teilnehmenden später in Collagen, Bildern und Plastiken. Bis zum Abschluss des Projekts im Juni 2025 wollen sie zudem ein Video produzieren, das zeigt: Was würden wir ändern, wenn wir in der Regierung wären?
Die eigene Stimme entwickeln
Was den Jugendlichen am Projekt bislang am besten gefällt, sollen sie an dieser Stelle selbst erzählen dürfen: „Es war sehr schön, sich mit anderen Jugendlichen auszutauschen, ohne Angst zu haben, für seine Meinung verurteilt zu werden“, antwortet eine 15-Jährige. Ein anderes Mädchen berichtet, dass sie seit dem Workshop öfter mit Freundinnen, Freunden und ihrer Familie über Politik diskutiert als vorher. Und die zu Beginn dieses Beitrags erwähnte Jugendliche resümiert: „Im Workshop waren einige zwar oft anderer Meinung als ich, aber wir haben uns trotzdem verstanden, darum war der Workshop eine schöne Abwechslung und hat gutgetan.“ Die eigene Stimme entwickeln, andere Meinungen dennoch akzeptieren und zu einem Konsens finden – was die Jugendlichen in diesem Projekt lernen, nutzt jeder und jedem Einzelnen von ihnen: die Fähigkeit, ihre Welt gemeinsam zu gestalten.