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„LOVE.LAB“ – eine kreative Annäherung an Liebe, Sexualität und Beziehungen

In einem Sommercamp an der Ostsee setzen sich Jugendliche aus Jena kreativ und digital mit Fragen rund um Liebe, Sexualität und Beziehungen auseinander. Das Projekt „LOVE.LAB“ ermutigt sie, ihre eigenen Bedürfnisse zu kommunizieren – und die Bedeutung von Grenzen zu erkennen.

Bild von Mädchen am Strand während des Projektes Love Lab
© André Helbig

Nur 50 Meter sind es von der Jugendherberge in Scharbeutz bis zum Ostseestrand. Es ist der perfekte Ort für ein Feriencamp. Volleyball spielen, Schwimmen, die kilometerlange Strandpromenade erkunden oder Achterbahnfahren im nahegelegenen Hansapark – das alles gehörte in den Sommerferien 2023 für 24 Jugendliche aus Jena im Alter von 13 bis 18 Jahren zum Programm.

Doch im Zentrum des „LOVE.LAB“ an der Ostsee standen Fragen rund um Liebe, Sexualität, Geschlechteridentität und Beziehungen. Digitale wie analoge Medien funktionierten als Werkzeug, um zu erkunden: Was mag ich an mir, was mag ich nicht so sehr? Wie nehme ich mich selbst wahr, wie nehmen mich andere wahr? Was mag ich im Kontakt zu anderen, was nicht? Wo sind meine Grenzen?

Erste Erfahrungen – und offene Fragen

„Beim Thema Liebe und Sexualität ist in den letzten Jahren viel in Bewegung gekommen“, sagt Maik Pevestorff, künstlerischer Leiter der Freien Bühne Jena e.V. Mit dem Kinder- und Jugendzentrum Klex und der Künstlerischen Abendschule Jena als Bündnispartnern hat der Theaterpädagoge das „LOVE.LAB“ organisiert und durchgeführt. Gefördert wurde das Projekt vom Fonds Darstellende Künste, einem der 27 Programmpartner von „Kultur macht stark“. Gleichgeschlechtlichen Beziehungen, offenen Beziehungsformen mit mehreren Partnerinnen oder Partnern oder der Identifikation mit einem anderen als dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht werde heute viel offener begegnet als früher. Viele Jugendliche könnten dazu bereits Erfahrungen einbringen, so Pevestorff. Oft haben sie aber auch Fragen.

Zum Einstieg in das Projekt schaut die Gruppe die Social-Media-Collage „Newsexland“. Dabei begleiten sie acht Charaktere bei ihren täglichen Erfahrungen rund um Liebe, Sexualität und Partnerschaft. Hinter den Charakteren und ihren Social-Media-Profilen stehen Schauspielerinnen und Schauspieler der Freien Bühne. Die Teilnehmenden können sich aussuchen, welchem Charakter sie folgen und per Live-Chat mit diesem interagieren. Durch die Identifikation mit einer fiktiven Person können sie ihre Bedürfnisse und Vorlieben ausdrücken, ohne dass es dabei zu persönlich wird. Das alles ist nah an der Alltagswelt der Jugendlichen, die sich auch privat viel auf Social Media bewegen.

Respekt vor eigenen und fremden Grenzen

Anschließend lernen die Jugendlichen einander und das neunköpfige Leitungsteam besser kennen. In zwei Workshops bereiten sie sich auf das Feriencamp vor und bekommen eine Einführung in die Grundlagen von digitalem Videoschnitt, Trickfilm und Fotografie. Die Tage im Feriencamp beginnen mit dem Entzünden der Gruppenkerze und einer Meditation. Nachmittags basteln die Teilnehmenden in Kleingruppen an Videos, Collagen und Fotos. Aber auch analoge Kreativtechniken wie Handlettering oder Schauspielübungen kommen zum Einsatz. In Posen und Standbildern bringen die Jugendlichen mit ihren Körpern eigene Erfahrungen auf die Bühne. „Wir arbeiten mit dem Ansatz des biografischen Theaters von Maike Plath. Dabei geht es darum, biografische Momente Schritt für Schritt zu ästhetisieren und so ein Stück weit von sich selbst wegzubringen“, erläutert Pevestorff.

Raum für Vielfalt lässt das „LOVE.LAB“ auch bei den Arbeitsweisen: Stundenlang konzentriert an einer Tonspur schneiden oder sich körperlich auf der Bühne austoben – alles ist möglich. Der Umgang ist wertschätzend, wertungsfrei, aufmerksam und respektvoll. Die Jugendlichen erkennen, wie wichtig es ist, ‚Nein‘ zu sagen und Grenzen anzuerkennen – ob eigene oder die der anderen. Dass auch Konflikte auftreten, bleibt bei einem intimen Thema wie Liebe und Sexualität nicht aus. Als die Jugendlichen über ihre Erfahrungen mit der Darstellung von Sexualität in Pornos erzählen, ist eine verhaltene Stimmung im Raum zu spüren. Nicht alle scheinen sich wohlzufühlen und über das Thema reden zu wollen. Für solche Situationen hat das Leitungsteam ein Vetorecht eingeführt. Damit können sich die Teilnehmenden einer für sie unangenehmen Situation entziehen.

Bild des Projektes Love Lab
© André Helbig

Langfristige Beziehungen schaffen

Die Ergebnisse des Feriencamps präsentieren die Jugendlichen im November 2023 bei einer Ausstellung in den Räumen des Kinder- und Jugendzentrums Klex. „Für die Ausstellung war uns wichtig, wieder zurück in den gewohnten Sozialraum zu kommen. Das ist hier in Jena der Stadtteil Lobeda-West“, sagt Pevestorff. In dem Viertel leben besonders viele Menschen mit Migrationshintergrund. Oft erleben Jugendliche in ihrem Elternhaus ein eher traditionelles Familienbild. Beim Besuch der Ausstellung eint alle Angehörigen das Interesse, der Stolz und auch die Überraschung über das, was ihre Kinder im Camp produziert haben. Manche Eltern betrachten den Nachwuchs danach mit anderen Augen. Etwa, wenn sie erfahren, dass ihr Kind im Camp meditiert hat.


Die Wirkung des „LOVE.LAB“ geht weit über den Projektzeitraum hinaus. Personen aus dem Leitungsteam sind nach Ende des Projekts weiter im Stadtteil aktiv, begleiten die Jugendlichen als Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, beraten bei Problemen und Fragen. Projekte mit Langzeitwirkung zu schaffen und nachhaltige Beziehungen zu knüpfen, das sei das oberste Anliegen, betont Pevestorff. „Außerdem haben wir als Leitungsteam gelernt, wie produktiv es für kulturelle Bildungsarbeit ist, die gewohnte Umgebung zu verlassen und intensiv Zeit an einem anderen Ort zu verbringen.“ Jenas Jugendliche können sich also auf weitere Feriencamps freuen – die passenden Partner und den perfekten Ort hat Pevestorff bereits gefunden.

Bild des Projektes Love Lab
© André Helbig

Infobox

Das „Kultur macht stark“-Projekt „LOVE.LAB“ ist eine gemeinsame Initiative der Freien Bühne Jena e.V., des Kinder und Jugendzentrums Klex sowie der Künstlerischen Abendschule Jena. Gefördert wurde das Projekt vom Fonds Darstellende Künste.